Wissenschaftliche und gesellschaftliche Ziele

Der Staat unterstützt die Internationalisierung der Hochschulen politisch und finanziell. Wie bewerten die Hochschulen die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für ihre Internationalisierungsmaßnahmen? Wie können Hochschulen den gesellschaftlichen Zielen der Internationalisierung Rechnung tragen?

Bund in der Pflicht?

Die Internationalisierung der Hochschulen, einschließlich der Finanzierung von Studienplätzen internationaler Studierender, wird gemeinsam von Bund und Ländern unterstützt. Die geteilte Verantwortung für das Thema sieht eine große Mehrheit der befragten Hochschulen (77 Prozent) auch als sinnvoll an. Doch jede fünfte Hochschule fordert, dass vornehmlich der Bund die Aufgabe innehaben sollte, die Internationalisierung voranzutreiben. Eine Bundesförderung sollte jedoch allen Hochschulen zugutekommen: Insgesamt sagt nur einer von vier Hochschulleitern, dass sich die staatliche Förderung stärker auf Leuchttürme der Internationalisierung konzentrieren soll.

Studienbeiträge gewünscht

Gleichzeitig befürwortet knapp die Hälfte der Rektoren und Präsidenten eine stärkere finanzielle Beteiligung ausländischer Studierender am Studium in Deutschland. Nur jeder dritte Hochschulleiter gibt an, dass das Studium für internationale Studierende weiterhin gebührenfrei sein sollte. Bei den privaten Hochschulen ist die Befürwortung der Studienbeiträge besonders groß, da sich diese generell stark über Gebühren finanzieren. Aber auch 43 Prozent der staatlichen Hochschulen wollen die Gebührenfreiheit für ausländische Studierende abschaffen. Diese Zahl spiegelt wider, dass die Gewinnung von Studierenden aus dem Ausland heute nicht nur Zielen der internationalen Verständigung dient, sondern dass die Hochschulen sich als ein Teil eines internationalen Bildungsmarktes betrachten. Die staatlichen Hochschulen in Deutschland profitieren von diesem Markt finanziell jedoch noch kaum, obwohl Deutschland eines der beliebtesten Zielländer internationaler Studierender ist.

Nur jeder dritte Hochschulleiter befürwortet gebührenfreies Studium.

Wissenschaftliche und gesellschaftliche Ziele

Ein Grund für die Forderung nach einer stärkeren Rolle des Bundes in der Internationalisierung ist die bundesweite und ganzheitliche Bedeutung des Themas. Hochschulen sollen sich also Zielen der Internationalisierung widmen, die nicht allein wissenschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Perspektiven beinhalten. Dazu gehört, durch persönlichen Austausch zu einer Verständigung zwischen Völkern und Ländern sowie zur Lösung globaler Herausforderungen beizutragen, aber auch ökonomische Interessen wahrzunehmen, wie die Sicherung des Fachkräftebedarfs in Deutschland. Für die Hochschulen spielen diese gesellschaftlichen Aspekte der Internationalisierung eine wichtige Rolle. Fragt man nach den Motiven für ihre Internationalisierungsaktivitäten, sind die Ziele Völkerverständigung und Fachkräftesicherung ähnlich wichtig wie ureigene Interessen: nämlich der Beitrag der Internationalisierung zur Verbesserung von Lehre und Forschung sowie zur Steigerung von Renommee und Sichtbarkeit der eigenen Hochschule.

Einige Unterschiede in den Motiven der Internationalisierung lassen sich jedoch unter verschiedenen Hochschultypen beobachten. So legen die Exzellenzuniversitäten und die TU9-Universitäten deutlich mehr Wert auf die Verbesserung der Qualität von Forschung und Lehre durch die Internationalisierung. Die TU9-Universitäten sehen sich zudem weniger dem Ziel Völkerverständigung verpflichtet, bei Exzellenzuniversitäten steht die Fachkräftesicherung weniger im Vordergrund.

 

Wie sollen Hochschulen Fachkräfte gewinnen?

Neun von zehn Hochschulleitern geben an, dass die Zahl internationaler Studierender aufgrund des demografischen Wandels steigen muss. Die Rahmenbedingungen, um diese für einen Aufenthalt in Deutschland zu gewinnen, halten sie hingegen für nicht optimal. Über 90 Prozent sagen, dass die Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen für Studierende und Wissenschaftler aus dem Ausland vereinfacht werden müssen. Das steht im Kontrast zu den gesetzlichen Neuregelungen, etwa bei der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen oder bei der Möglichkeit, nach Studienabschluss in Deutschland zu bleiben. Diese scheinen den Hochschulen nicht auszureichen oder die geplanten Effekte werden in den Hochschulen nicht erzielt, möglicherweise auch weil die Informationen darüber bei ihnen nicht ankommen.

Potenzial, mehr für den internationalen Fachkräftenachwuchs zu tun, sehen die Hochschulen auch in einer besseren Zusammenarbeit mit Unternehmen. Eine beträchtliche Mehrheit von fast 90 Prozent der Hochschulleiter sagt, dass aufgrund des demografischen Wandels mehr internationale Studierende benötigt werden, um Nachwuchslücken zu schließen. Auf der anderen Seite sagt nicht einmal jeder zweite Hochschulleiter (45 Prozent), dass internationale Studierende gezielter nach den Bedarfen des Arbeitsmarktes ausgewählt werden sollten.

45 Prozent der Hochschulen zu 65 Prozent der Unternehmen: Internationale Studierende sollten gezielter nach den Bedarfen des Arbeitsmarktes ausgewählt werden.

Die Unternehmen setzen hier in gleichlautenden Fragen einer Erhebung für den Hochschul-Bildungs-Report (Stifterverband, McKinsey 2015) jedoch andere Schwerpunkte: Zwei von drei Unternehmen möchten, dass sich die Auswahl stärker an Arbeitsmarktbelangen orientiert, aber nur 47 Prozent wünschen sich mehr internationale Studierende als Fachkräftenachwuchs aufgrund der demografischen Veränderungen in Deutschland. Hier werden die unterschiedlichen Positionen der Hochschulen und Unternehmen bezüglich der Fachkräftesicherung sichtbar: Die Hochschulen setzen sich eher quantitative Ziele, die Unternehmen wünschen eine größere Passgenauigkeit. Die Wirtschaft verfolgt somit ein anderes strategisches Modell: Bereits heute sind 50 Prozent der Unternehmen in Deutschland auf ausländische Absolventen als Fachkräftequelle angewiesen und 66 Prozent erwarten eine Verschärfung dieser Situation (Stifterverband, McKinsey 2015). Deshalb sollte die qualitative Auswahl der internationalen Studierenden auch den Bedarfen des Arbeitsmarktes entsprechen.