Pressemitteilung des Stifterverbandes vom 2. Januar 2025
Die aktuelle Befragung der Hochschulleitungen zeigt: Hochschulen sehen eine starke Gefährdung beim Thema digitale Sicherheit. Investitionen, aber auch mehr Zusammenarbeit sind nötig, um sich gegen Cyberangriffe zu schützen. Gut bewerten die Hochschulen dagegen die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in frühen Karrierephasen gibt es zu wenige Stellen. Gleichzeitig fehlen Personalstrukturkonzepte. Im langjährigen Vergleich trübt sich die Stimmung unter den Hochschulleitungen weiter ein. Insbesondere die Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandorts Deutschland erreicht den geringsten Wert seit Beginn der Erhebung. Das sind Ergebnisse des aktuellen Hochschul-Barometers, herausgegeben vom Stifterverband und der Heinz Nixdorf Stiftung.
Hochschulen stehen zunehmend im Fokus von Cyberangiffen. Hatten die Angreifer in der Vergangenheit eher finanzielle Interessen, stehen inzwischen auch politische Motive im Vordergrund. Klar ist: Angesichts der zunehmenden Bedrohungen müssen Hochschulen mit ihren offenen Strukturen ihre digitalen Sicherheitskonzepte dringend stärken. Die Befragung zeigt, es besteht eine gefährliche Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der allgemeinen Bedrohungslage und der Bedrohung der eigenen Institution.
Fast alle Hochschulleitungen (97,3Prozent) erkennen die allgemeine Bedrohung und schätzen die Sicherheitsvorkehrungen der Hochschulen in Deutschland allgemein als unzureichend ein. Nur 13,6 Prozent bewerten diese als eher gut. Allerdings glauben rund 62 Prozent der Hochschulen, dass sie selbst im Bereich digitale Sicherheit gut oder eher gut aufgestellt sind. Dabei gibt lediglich die Hälfte (53 Prozent) der Hochschulen an, über Notfallpläne für Cyberangriffe zu verfügen. Immerhin plant ein weiteres Drittel, diese einzuführen. Die massive Nutzung privater Geräte stellt eine weitere Sicherheitslücke dar, da es an vielen Hochschulen an notwendigen Schutzmaßnahmen mangelt. Viel zu selten werden beispielsweise Sicherheitsschulungen für das Hochschulpersonal in Wissenschaft und Verwaltung oder noch seltener für Studierende angeboten. Dagegen legen 75 Prozent aller Hochschulen institutionsübergreifende Back-ups wichtiger Daten an.
Die Wissenschaftsfreiheit wird von den Hochschulleitungen als gesichert betrachtet: Drei Viertel der Hochschulleitungen in Deutschland bewerten die Wissenschaftsfreiheit positiv – rund 52 Prozent als eher gut, 24,4 Prozent sogar als sehr gut. Gleichzeitig geben sie an, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dennoch nur eingeschränkt über ihre Forschungsergebnisse sprechen wollen. Die Gründe sehen die Befragten vor allem in der möglichen Gefahr von Angriffen und Diffamierung auf sozialen Medien (63,6 Prozent) und die Sorge, dass Medien oder öffentliche Debatten durch die Vereinfachung komplexer Sachverhalte Forschungsergebnisse verzerrt darstellen.
Wie externe Geldgeber die Kommunikation von Forschungsergebnissen beeinflussen, wird von den Hochschulleitungen unterschiedlich beurteilt: Fast zwei Drittel (rund 64 Prozent) sagen, dass der Einfluss der Politik auf die Wissenschaft zu groß oder eher zu groß ist. Den Einfluss der Wirtschaft schätzen lediglich 38,5 Prozent zu groß ein.
Die Hochschulen in Deutschland spielen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung gesellschaftlicher Fragen und benötigen dafür geeignetes Personal, sowohl für Forschung, Lehre und Transfer als auch in der Verwaltung. Angesichts des Fachkräftemangels ist die Besetzung von Stellen zeitaufwändig und stellt eine große Herausforderung dar. Die geschätzte durchschnittliche Dauer der Stellenbesetzung beträgt rund zwölf Wochen – ein Wert, der mit der Wirtschaft vergleichbar ist. Trotzdem haben zwei Drittel der Hochschulen (68,5 Prozent) kein strategisches Personalstrukturkonzept. Das heißt, sie haben weder Instrumente, um den zukünftigen Bedarf an Personal zu identifizieren, noch die richtigen Maßnahmen, um qualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu gewinnen und an den Hochschulen zu halten. Vor allem für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in frühen Karrierestufen – wie in der Promotionsphase – gibt es zu wenige Stellen. Hier fehlt es an finanziellen Ressourcen und Perspektiven. Die Personalsorgen an den Hochschulen spiegeln sich auch in der allgemeinen Stimmungslage wider.
Die Zufriedenheit an den Hochschulen sinkt weiter und ist so schlecht wie nie seit der ersten Erhebung des Hochschul-Barometers im Jahr 2011. Auf einer Skala von -100 bis +100 liegt der Zufriedenheitsindex bei einem Wert von 18,9 Punkte bei der Beurteilung der aktuellen Lage. Ein Jahr zuvor lag er noch bei 22 Punkten. Besonders negativ fällt die Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit. Auch die Bewertung der Kooperationsbeziehungen trübt die Stimmung; insbesondere die Zusammenarbeit mit Unternehmen außerhalb der Region und mit ausländischen Hochschulen wird schlechter beurteilt als in den Jahren zuvor. Auch der Ausblick auf 2025 gibt wenig Grund für Optimismus. Fast die Hälfte der Hochschulleitungen erwarten eine negative Entwicklung.
Das Hochschul-Barometer ist ein Stimmungsbarometer deutscher Hochschulleitungen. In einer jährlichen, repräsentativen Umfrage wollen Stifterverband und Heinz Nixdorf Stiftung von allen Rektoren und Präsidenten der Hochschulen in Deutschland wissen, wie sie ihre momentane Situation und ihre Perspektiven einschätzen. Schwerpunktthemen im aktuellen Hochschul-Barometer sind neben Personal an Hochschulen auch Wissenschaftsfreiheit sowie digitale Infrastruktur und digitale Sicherheit an Hochschulen. Die Befragung für das nächste Hochschul-Barometer ist bereits gestartet.
Den gesamten Datenverlauf des Stimmungsbarometers von Beginn der Erhebung des Hochschul-Barometers im Jahr 2011 an finden Sie im Daten-Navigator des Stifterverbandes.
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