Regionale Hochschulkooperationen

Wie steht es mit regionaler Hochschulkooperation und wie soll sie sich aus Sicht der Hochschulleitungen in Zukunft entwickeln?

In vielen Regionen Deutschlands gibt es mehr als eine Hochschule. Dabei befinden sich unterschiedliche Hochschultypen häufig in direkter Nachbarschaft. Staatliche und private Einrichtungen, Universitäten ebenso wie Fach- und spezialisierte Hochschulen. Eine Zusammenarbeit untereinander bringt Vorteile: Wissenschaftliche Kompetenzen können sich ergänzen. Gemeinsame Strukturen können Synergien schaffen. Doch Partnerschaften bedeuten auch Koordinationsaufwand. Zudem spielt insbesondere in der Forschung nicht die geografische, sondern die wissenschaftliche Nähe eine Rolle.

Eine Vernetzung der Hochschulen dient auch der Stärkung der Region selbst. Sie kann zur regionalen Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit beitragen und die Attraktivität des Standorts steigern. Dies kann zum Beispiel durch integrierte Angebote zum Wissenstransfer, gemeinsame Aktivitäten bei Gründungsförderung und Internationalisierung oder durch auf die Bedarfe des Arbeitsmarktes abgestimmte Lehr- und Weiterbildungsangebote erreicht werden. Insgesamt muss die regionale Zusammenarbeit noch weiter ausgebaut werden. Davon ist das Gros der Hochschulleitungen überzeugt.

 

Mehr regionale Hochschulkooperationen angestrebt

Die Zusammenarbeit mit Hochschulen aus der Region soll weiter vorangetrieben werden, das sagen 89 Prozent der befragten Hochschulleitungen. Davon setzt die große Mehrheit entsprechende Maßnahmen bereits um, die übrigen planen entsprechend. Unterschiedlich weit sind die einzelnen Hochschultypen beim Ausbau der Kooperation. Mehr als zwei Drittel der staatlichen Universitäten und Fachhochschulen arbeiten bereits daran, die Zusammenarbeit auszuweiten. Bei spezialisierten Hochschulen sind es weniger als die Hälfte, bei privaten Hochschulen liegt der Anteil nur bei 37,2 Prozent. Knapp jede vierte Leitung einer privaten Hochschule möchte hingegen die Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen aus der Region in Zukunft nicht intensivieren.

Staatliche Universitäten am besten vernetzt

Hochschulen arbeiten in der Regel mit mehreren Hochschulpartnern in ihrer Region zusammen – häufig projektbasiert. Die Grenzen der Region sind dabei nicht eindeutig festgelegt, sodass sich das Verständnis eines regionalen Netzwerks unterscheiden kann. Im Durchschnitt geben die Hochschulen an, mit etwa sechs Hochschulen aus der Region zu kooperieren. Staatliche Universitäten weisen dabei die meisten Partner auf, private Hochschulen die wenigsten. Hochschulen aus kleineren Bundesländern haben tendenziell weniger Kooperationspartner.

Mehrwerte durch Kooperation vor allem für die Forschung

Regionale Kooperationen bieten für Hochschulen unterschiedliche Chancen. Am häufigsten sehen Rektoren und Präsidenten einen Gewinn bei der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit. Knapp zwei Drittel erkennen hier positive Wirkungen, zum Beispiel durch den Aufbau von gemeinsamen Forschungsschwerpunkten. Eine Mehrheit sieht auch Vorteile auf strategischer Ebene, insbesondere bei der Profilbildung und der Einwerbung von Drittmitteln. Knapp die Hälfte der Hochschulleitungen denkt, mit Partnern eine kritische Masse für die Bearbeitung von Forschungsthemen aufbauen zu können. Einen nicht ganz so großen Mehrwert sehen sie hingegen darin, durch Kooperation die internationale Sichtbarkeit, die Wettbewerbsfähigkeit in der Lehre sowie die Ressourceneffizienz zu steigern. Nahezu keine positive Wirkung wird für die Hochschulverwaltung erwartet.

Mehrwerte für die Region

Aus Sicht der Hochschulleitungen profitieren nicht nur die einzelnen Hochschulen, sondern auch die Region selbst von regionalen Hochschulkooperationen. So sind drei von vier der Befragten davon überzeugt, dass diese zur Stärkung des Wissens- und Forschungstransfers beitragen. Mit 88,8 Prozent ist die Zustimmung bei Rektoren der staatlichen Fachhochschulen am größten. 70 Prozent aller Befragten sehen einen (eher) großen Mehrwert in der regionalen Innovations- und Wirtschaftsförderung. Mehr als 60 Prozent meinen, dass regionale Hochschulkooperationen zur Steigerung der Sichtbarkeit der Region als Wissens- und Forschungsstandort sowie zur regionalen Fachkräftesicherung beitragen. Damit sehen die Hochschulleitungen mehr positive Wirkungen für die Region insgesamt als für die einzelne Hochschule.

Wenig Mehrwert für private Hochschulen?

Private Hochschulen arbeiten durchschnittlich mit drei Hochschulen aus der Region zusammen. Staatliche Einrichtungen haben mehr als doppelt so viele Kooperationen. Private Hochschulen werden also häufig kein Teil des wissenschaftlichen Netzwerkes vor Ort. Während die meisten Hochschulen besonders häufig in der Forschung kooperieren, sind private vor allem in der Lehre engagiert. Das ist vermutlich einer der Gründe, warum rund 40 Prozent der Leitungen privater Hochschulen für ihre eigene Hochschule keinen Mehrwert in regionalen Kooperationen sehen. Im Vergleich: Nur 14,8 Prozent der Leitungen staatlicher Hochschulen teilen diese Meinung. Hinzu kommt, dass öffentliche Hochschulen scheinbar kein ausgesprochenes Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Privaten haben: Zwei von drei Leitungen privater Hochschulen beklagen eine fehlende Kooperationsbereitschaft anderer Hochschulen.

Universitäten kooperieren lieber überregional

Globale Wissenschaft und lokale Wirkung von Hochschulen ergänzen sich im besten Fall. Doch den Schwerpunkt in der Zusammenarbeit setzen die Hochschulen durchaus unterschiedlich. Die Einschätzung, ob eher die regionale oder überregionale Hochschulkooperation einen größeren Mehrwert verspricht, variiert stark nach Hochschultyp. Drei Viertel der Leitungen von staatlichen Universitäten sehen einen klaren Vorteil in der überregionalen und internationalen Hochschulkooperation. Demgegenüber setzen drei Viertel der Rektoren der staatlichen Fachhochschulen auf die regionale Zusammenarbeit. Spezialisierte Hochschulen zeigen eine leichte Tendenz in Richtung regionale Kooperation, während private Hochschulen eher einen Mehrwert in  Kooperationen außerhalb der Region sehen.

Modelle der Zusammenarbeit in Lehre und Forschung

Die Möglichkeiten der regionalen Kooperation in Lehre und Forschung sind vielfältig. Am häufigsten arbeiten Hochschulen in der Doktorandenausbildung zusammen. Bei sogenannten kooperativen Promotionen werden Promotionskandidaten von Mitgliedern unterschiedlicher Wissenschaftseinrichtungen betreut, um insbesondere die Fachhochschulen in Promotionsverfahren einbinden zu können. Knapp zwei von drei Hochschulen haben zudem gemeinsame Studiengänge und bauen Forschungsgebiete zusammen auf. Etwas seltener entwickeln sie gemeinsame Strukturen, zum Beispiel für IT, Bibliotheken und Labore, die auch Teil gemeinsamer Forschungszentren sein können. Nur an jeder dritten Hochschule findet eine Zusammenarbeit in der Weiterbildung und in der Studieneingangsphase statt. Hörsäle werden kaum geteilt.

Innovationsfaktor Hochschulkooperation

Viele Hochschulen kooperieren auch bei zentralen Funktionen jenseits von Forschung und Lehre. Synergien lassen sich insbesondere dort nutzen, wo der Hochschulstandort insgesamt von einer Zusammenarbeit profitiert, etwa bei der internationalen Sichtbarkeit oder bei der Stärkung des wirtschaftlichen Umfelds. Immerhin jede vierte Hochschule plant deshalb die eigene Hochschulentwicklung gemeinsam mit anderen Hochschulen der Region. Jede dritte betreibt hochschulübergreifendes Standortmarketing. Jede zweite berichtet von gemeinsamen Serviceeinrichtungen zum Beispiel bei der Studienberatung oder der Betreuung internationaler Studierender. Besonders aktiv sind die Hochschulen dabei, das Innovationspotenzial der Region zu verbessern: 52,8 Prozent arbeiten im Wissenstransfer und 45,6 Prozent im Bereich Gründungsförderung zusammen.

Gleich und gleich gesellt sich gern

In vielen regionalen Kooperationen bevorzugen Hochschulen einen Partner des gleichen Hochschultyps. Nur spezialisierte und private Hochschulen sind mehrheitlich auf die Zusammenarbeit mit anderen Hochschultypen aus. Mehr Zusammenarbeit innerhalb einer Hochschulgruppe gibt es bei Forschungsinfrastruktur (Labore und Zentren), Marketing, Hochschulentwicklung und bei den meisten Kooperationsformen in der Lehre. Es gibt jedoch auch Bereiche, in denen sich Fachhochschulen und Universitäten komplementär ergänzen. Dazu zählen kooperative Promotionen und die Gründungsförderung. Bei der gemeinsamen Nutzung von Infrastruktur, Strategie und Management greifen Fachhochschulen gerne auf die oft größeren Universitäten zurück. Im Transfer wiederum orientieren sich Universitäten mehrheitlich an Fachhochschulen als Partnern.

Mehr Kooperation in der Zukunft, aber nicht mit allen

Die Leitungen der Hochschulen in Deutschland sind überwiegend dafür, zukünftig die Zusammenarbeit untereinander und mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen (AuF) auszubauen. Die größte Zustimmung für mehr Kooperation mit den AuF kommt aus den staatlichen Fachhochschulen und Universitäten, bei spezialisierten Hochschulen ist eine knappe Mehrheit für den Ausbau. Eine Diskrepanz zeigt sich beim Wunsch nach mehr Zusammenarbeit zwischen Fachhochschulen und Universitäten. Während das Gros der Leitungen von staatlichen Fachhochschulen davon überzeugt ist, dass die strategische Kooperation der Hochschultypen gestärkt werden soll, sagt dies nur jede vierte Leitung einer staatlichen Universität.

Unterschiedliche Strategien verhindern Kooperation

Für drei von vier Hochschulleitungen liegen die wichtigsten Hemmnisse für eine regionale Zusammenarbeit auf strategischer Ebene. Dazu zählen eine fehlende fachliche Kompatibilität, mangelnde Kooperationsanreize und die Konkurrenz um Studierende. 45,6 Prozent beklagen zudem finanzielle Engpässe für Kooperationsprojekte. Auf der operativen Ebene, also bei der Abstimmung von Semesterzeiten oder bei der Angleichung von Curricula, sieht hingegen eine Mehrheit kein Hindernis. Die rechtlichen Rahmenbedingungen stehen bei zwei von drei Hochschulen nicht im Weg. Zusätzlich zu den faktischen Hemmnissen scheint aber in Teilen eine grundsätzliche Offenheit zu fehlen: Die Kooperationsbereitschaft der anderen Hochschulen (45,9 Prozent) und der Mitglieder der eigenen Hochschule (38,4 Prozent) wird noch häufig als unzureichend eingeschätzt.

Hochschulleitungen im Dialog

Ein regelmäßiger Austausch der Leitungsebenen der Hochschulen aus der Region hilft, gemeinsame Interessen zu identifizieren, Kooperationen vorzubereiten und Hindernisse zu bewältigen. Mehr als 80 Prozent der befragten Hochschulen nutzen dafür entsprechende Dialogformate. Besonders aktiv nehmen die Leitungen der staatlichen Universitäten am Austausch teil. Mit 95,1 Prozent sind diese fast ausnahmslos in regionale Austauschprozesse involviert. Private Hochschulen sind dagegen seltener Teil fester Diskussionskreise. So sagen knapp 40 Prozent, dass es keinen organisierten Austausch mit
anderen regionalen Hochschulleitungen gibt.

Leitungen sehen sich selbst als Impulsgeber

Das Aufbauen von Kooperationen kostet Zeit und Mühe. Die Hochschulpolitik stärkt diese Bemühungen teilweise direkt, beispielsweise durch Vorgaben der Landesministerien, insbesondere aber durch Förderprogramme, in denen regionale Verbundprojekte angesprochen werden. Nur jede achte Hochschulleitung sagt jedoch, dass der wesentliche Impuls für die regionale Zusammenarbeit aus der lokalen Politik oder Landespolitik kam. Impulse aus der regionalen Wirtschaft sind ebenso eine Ausnahme. Dagegen berichten mehr als 80 Prozent der Präsidenten und Rektoren, dass die bestehenden Kooperationen auf Initiative der eigenen Hochschule, insbesondere der Leitung, ausgebaut worden sind.

Was will die Politik?

Nach Einschätzung der Hochschulleitungen verfolgt die Politik mit einer Förderung der Kooperation von Hochschulen in der Region vorrangig wissenschaftliche oder innovationspolitische Ziele. Zum Teil könnten aber auch Synergien genutzt werden, um später die Ausgaben für die Hochschulen zu kürzen. Bei einer Verteilung von 100 Punkten auf die wichtigsten Ziele erhält die Vermutung, die Politik wolle mit regionalen Kooperationen finanzielle Mittel sparen, jedoch nur 17,8 Punkte. Die Stärkung der Region und des Transfers sehen sie als politisches Ziel Nummer eins (42,8 Punkte). Das Motiv, Lehre und Forschung zu verbessern, bewerten sie mit 37,7 Punkten.

Nachhaltige Kooperation statt Beutegemeinschaften

Mehr als jede dritte Hochschulleitung verspürt einen hohen Druck durch die Politik, sich an regionalen Kooperationen zu beteiligen. Etwa 40 Prozent der Rektoren und Präsidenten meinen jedoch, dass die Verbünde vor allem der Verbesserung von Chancen der einzelnen Hochschulen in der wettbewerblichen Hochschulfinanzierung dienen. Weitere 30,8 Prozent sehen dies teilweise so. Aus Sicht der Hochschulen sind jedoch weniger politische Initiativen bei der Schaffung von Kooperationen und Verbünden sinnvoll. Denn mehr als 70 Prozent der befragten Rektoren und Präsidenten schätzen eine nicht politisch
bedingte Kooperation als stabiler und nachhaltiger ein.