Hochschulen in der Energiekrise

Ergebnisse aus dem Hochschul-Barometer 2022/2023

Energieintensive Einrichtungen in der Forschung, das Beheizen von Hörsälen und steigende Beschaffungs- sowie Personalkosten durch allgemeine Preissteigerungen: Den Hochschulen stehen in der Energiekrise deutlich erhöhte Ausgaben bevor.

Wie sind die Hochschulleitungen im Winter 2022/23 damit umgegangen und welche Maßnahmen haben die Hochschulen dagegen unternommen? Die im Mai 2023 veröffentlichten Ergebnisse der Befragung zum neuen Hochschul-Barometer des Stifterverbandes und der Heinz-Nixdorf-Stiftung liefern erste Antworten.

Zentrale Aussagen im Überblick:

  • Hochschulen rechneten im Winter 2022/23 mit geschätzten 1,3 Milliarden Euro höherer Kosten durch die Energiekrise. 
  • In der Folge ergriffen die Hochschulen Maßnahmen zur direkten Senkung der Energiekosten. Nahezu alle Einrichtungen planten ein besseres Energiemanagement, vier von zehn Hochschulen wollten zusätzliche Hochschuleinrichtungen über den Winter schließen.
  • Langfristig setzen die Hochschulen außerdem auf Investitionen in Dämmung und erneuerbare Energien. 
  • Doch bei anhaltenden Kostensteigerungen drohen auch Hochschulschließungen. Jede siebte private Hochschule könnte betroffen sein. Staatliche Hochschulen wollen Kostensteigerungen vor allem über Einsparungen in der Infrastruktur bei Forschung, Lehre und weiteren Angeboten erreichen.

 

Energiekrise trifft Hochschulen stark

Die Mehrheit der Hochschulen stellt sich auf die zu erwartenden höheren Kosten in Folge steigender Energiepreise ein. So geben vier von fünf Hochschulleitungen (83,4 Prozent) an, dass ihre Hochschule bereits eine Prognose der zu erwartenden Mehrausgaben für Energie erstellt hat (50,3 Prozent) beziehungsweise dass eine solche zum Zeitpunkt der Teilnahme an der Befragung noch in Arbeit war (33,1 Prozent). Im Schnitt schätzen die Hochschulleitungen dabei die jährliche Mehrbelastung auf 347 Euro je Studierenden. Auf Grundlage der Schätzungen der teilnehmenden Hochschulleitungen hat der Stifterverband mithilfe eines Regressionsverfahrens eine Hochrechnung der zusätzlichen Kosten vorgenommen. Für das gesamte Hochschulsystem ergibt sich daraus eine Mehrbelastung von circa 1,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Ausgaben aller Hochschulen in Deutschland für Energie beliefen sich 2021 auf etwa 9,1 Milliarden Euro. Dies würde eine Steigerung der Ausgaben für Energie um 14,3 Prozent bedeuten.

Wer welche Kostenanteile übernimmt, Hochschule oder Träger, ist dabei oft noch unklar: Ein Drittel der Hochschulen gibt zum Zeitpunkt der Umfrage an, dass noch nicht geklärt ist, inwiefern die Mittelgeber der Hochschule für die entstehenden höheren Kosten aufkommen. Jede zehnte Hochschule erwartet nicht, dass die zusätzlichen Kosten vom Mittelgeber übernommen werden (11,8 Prozent). Dies gilt insbesondere für private Hochschulen: Unter ihnen gibt fast ein Drittel an, dass die Kosten voraussichtlich nicht übernommen werden (29,4 Prozent). Für weitere 44,1 Prozent besteht noch keine Klarheit bezüglich einer Kostenübernahme. Erste Erkenntnisse aus offenen Fragen in der Umfrage deuten deshalb daraufhin, dass zumindest an einigen Hochschulen eine Anpassung der Studiengebühren vorgenommen wird, um aufkommende Defizite zu decken.

Zudem bestehen Unterschiede zwischen den Bundesländern bezüglich der Kompensation zusätzlicher Kosten von staatlichen Hochschulen. Während einige Bundesländer bereits eine komplette Übernahme der Mehrkosten zugesagt haben (zum Beispiel Bayern), stellen andere Länder Notfallfonds über bestimmte Summen zur Verfügung (zum Beispiel Hessen, Schleswig-Holstein). Aufgrund dieser unterschiedlichen Regelungen kommunizieren die Hochschulen einen deutlichen Bedarf nach weiterer Unterstützung (Bundestag 2023). Entlastung, zumindest für energieintensive Forschungseinrichtungen, soll nun zumindest ein von Bund und Ländern neu eingerichteter Härtefall mit mehr als 500 Millionen Euro bringen (Gemeinsame Wissenschaftskonferenz 2023).

Maßnahmen: Von Energiespartipps bis zu Schließungen

Die Hochschulen haben als Reaktion auf die Kostensteigerungen eine Vielzahl von unterschiedlichen Maßnahmen getroffen, um ihre Energiekosten im Winter 2022/2023 zu senken. Nahezu alle Einrichtungen haben ihre Hochschulangehörigen über effizientes Heizen und Lüften informiert. Einige Hochschulen haben diese Informationskampagnen außerdem mit Anreizen wie beispielsweise Energie-Innovations-Challenges kombiniert. Zudem haben einige Hochschulen, beispielsweise die Universität des Saarlandes, ihren Angehörigen die Möglichkeit angeboten, über spezielle Portale Ideen zum Energiesparen zu sammeln. Darüber hinaus haben neun von zehn Hochschulen ihren Heizbetrieb (93,8 Prozent) optimiert, beispielsweise über eine Absenkung von Raumtemperaturen bei Nacht oder auch eine stärkere Bedarfsorientierung der Heizungssteuerung. Gleichzeitig senkten 92 Prozent der Hochschulen die generelle Raumtemperatur in ihren Gebäuden ab.

Einige Hochschulen haben zudem zu weiterführenden Maßnahmen gegriffen: Zwei von fünf Hochschulen setzen auf eine temporäre vollständige Schließung ihrer Gebäude im Rahmen einer verlängerten Weihnachtspause (41,9 Prozent), ein knappes Drittel der Hochschulen setzt insgesamt auf kürzere Öffnungszeiten ihrer Gebäude (32,5 Prozent). Zudem konzentrieren einige Hochschulen ihre Veranstaltungen auf die energieeffizienteren Gebäude. Eine stärkere Nutzung digitaler Unterrichtsformate ist hingegen für die meisten Hochschulen keine Alternative: Nur 4,8 Prozent geben an, dass sie stärker auf Onlineformate setzen wollen.

Als Reaktion auf die bevorstehende Energiekrise haben einige Hochschulen bereits Maßnahmen zur Modernisierung ihrer Gebäude unternommen: Ein Drittel der Hochschulleitungen (32,7 Prozent) gibt dies an. Unter den staatlichen HAW sind es sogar mehr als 40 Prozent. Neben einer besseren Dämmung der Gebäude setzen die Hochschulen dabei unter anderem verstärkt auf die Umrüstung auf LED-Beleuchtung, Modernisierung der Heizungs- und Lüftungsanlagen sowie eine Überprüfung energieintensiver Anlagen in der Forschung. Auch der Anteil an den Hochschulen selbst erzeugter Energie soll in Zukunft steigen. So geben beispielsweise viele Hochschulen an, eigene Solar- und Photovoltaikanlagen zu installieren beziehungsweise die Kapazitäten bestehender Anlagen auszubauen. Bisher können so laut einer Schätzung der Hochschulen etwa 6 Prozent des eigenen Energiebedarfs gedeckt werden. Hochschulen profitieren hier zum Teil auch von einer stärkeren strategischen Ausrichtung zum Thema Nachhaltigkeit der Hochschulen als Institution in den letzten Jahren sowie damit verbundenen ersten Maßnahmen, beispielsweise im Energiemanagement der Hochschulgebäude.

Neben Maßnahmen zur Senkung des eigenen Energieverbrauchs haben die Hochschulen aber auch die Bedürfnisse ihrer Hochschulangehörigen im Blick. Insbesondere Studierende werden von den steigenden Energiepreisen stark getroffen. Im Rahmen von Unterstützungsangeboten bieten viele Hochschulen deshalb ihren Studierenden – neben der Einmalzahlung des Bundes – weitere finanzielle Hilfen im Rahmen von Notfallfonds oder erweiterten Stipendien an, um soziale Härten abzumildern. Darüber hinaus wird versucht, die Preise in den Mensen stabil zu halten, es werden Wärmeräume eingerichtet und Beratungsmöglichkeiten für Studierende geschaffen beziehungsweise ausgebaut.

 

Langfristig drohen starke Einschränkungen

Obwohl keine der befragten Hochschulen für den vergangenen Winter angibt, dass aufgrund fehlender Ressourcen oder Energieknappheit Forschungsprojekte nicht umgesetzt werden konnten, so war die Forschung kurzfristig dennoch von der Energiekrise betroffen: Immerhin 13 Prozent der Hochschulen geben an, die Nutzung energieintensiver Infrastrukturen in der Forschung zu reduzieren, unter den Universitäten tut dies jede fünfte (20,5 Prozent).

Die Hochschulen fürchten vor allem in einem Szenario dauerhaft hoher Energiepreise relevante Folgen. Gespart würde dann vor allem in der allgemeinen Infrastruktur der Hochschulen, beispielsweise in den Bibliotheken oder in der IT. Dies gibt die Hälfte der Befragten an. Circa ein Drittel würde Einsparungen in der Forschungs- (36,3 Prozent) oder Lehrinfrastruktur (32,1 Prozent) vornehmen. Dies gilt nahezu analog für Kosteneinsparungen bei Personal in Verwaltung und Wissenschaft.

Gefragt nach den langfristigen Folgen für die Hochschule befürchten knapp 58 Prozent der Leitungen wirtschaftliche Verluste für ihre Hochschulen. Unter den Hochschulen mit nicht-staatlicher Trägerschaft erwarten dies sogar drei Viertel (76,5 Prozent der privaten; 73,3 Prozent der kirchlichen Hochschulen). Jede fünfte Hochschule (19,6 Prozent) befürchtet, Veränderungen im eigenen Hochschulprofil vornehmen zu müssen, um wirtschaftlich zu bleiben. Langfristig sieht sogar fast jede zehnte Hochschulleitung den Weiterbetrieb der eigenen Hochschule als gefährdet an, sollten die Energiepreise dauerhaft hoch bleiben (8,9 Prozent); unter den privaten Hochschulen sind es sogar 14,7 Prozent.

 

Ausblick

Steigende Energiepreise sind eine große Herausforderung für die Hochschulen, insbesondere, wenn die Teuerung auch im nächsten Winter anhält. Dafür gilt es Lösungen zu finden, um die für den Innovationsstandort Deutschland zentralen Aufgaben Lehre, Forschung und Transfer nicht dauerhaft zu beschädigen. Dies kann beispielsweise über finanzielle Unterstützung aber auch Investitionen in die Energieeffizienz der Gebäude oder einen Ausbau der erneuerbaren Energien an den Hochschulen geschehen. Mittelfristig könnten die Hochschulen dadurch eine Vorreiterrolle auf dem Weg hin zu einem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 einnehmen: Ein Ziel, das sich die Bundesregierung mit der Energieeffizienzstrategie 2050 gesetzt hat und zu dem vor allem die öffentlichen Gebäude einen großen Teil beitragen können.

 

Für das Hochschul-Barometer befragt der Stifterverband jährlich die Hochschulleitungen in Deutschland zu ihren Einschätzungen der aktuellen Lage der Hochschulen, zu drängenden Herausforderungen und geplanten Entwicklungen. Die aktuelle Erhebung wurde von Mitte Dezember 2022 bis Februar 2023 durchgeführt. Insgesamt haben 169 der angeschriebenen Hochschulen teilgenommen. Dies entspricht einem Rücklauf von 43,7 Prozent. Eine weitere Erhebung des Hochschul-Barometers wird im Frühsommer 2023 stattfinden, die Ergebnisse werden voraussichtlich Ende des Jahres 2023 veröffentlicht.

Kontakt

Marian Burk

Wissenschaftlicher Referent

T 030 322982-543

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Pascal Hetze

Projektleiter Hochschul-Barometer
 
T 030 322982-506

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