Stimmungsbarometer 2017

Wie bewerten Hochschulleitungen im Jahr 2017 die Lage und die Entwicklungen ihrer Hochschulen? Welche Veränderungen seit der ersten Befragung im Jahr 2011 lassen sich ausmachen?

Antworten darauf gibt der Stifterverband-Index für die deutschen Hochschulen, der anhand von 17 Indikatoren die Einschätzungen der Rektoren und Präsidenten zur aktuellen Situation und die Erwartungen für die nächsten fünf Jahre abbildet. Erfasst werden rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, Außenbeziehungen sowie die Wettbewerbsfähigkeit in Forschung und Lehre.

Insgesamt ist die Stimmung unter den Rektoren und Präsidenten eher positiv. Der Blick in die Zukunft fällt etwas optimistischer aus als im Jahr zuvor. Die aktuelle Situation bewertet die Mehrheit der Leitungen ähnlich positiv wie im Vorjahr. Die Ergebnisse unterscheiden sich jedoch stark nach einzelnen Indikatoren sowie nach Hochschultyp, Trägerschaft und Größe.

Zuversicht wächst leicht

Insgesamt zeigt sich der Stifterverband-Index stabil. Der Gesamtindex beträgt im Jahr 2017 22,1 Punkte auf einer Skala von minus 100 bis plus 100 Punkte und liegt damit im leicht positiven Bereich. Der Lageindex, der die aktuelle Stimmung an den Hochschulen widerspiegelt, bleibt kaum verändert und hat in den vergangenen drei Jahren bei etwa 27 Punkten gelegen. Nach dem Rückgang im letzten Jahr steigen die Erwartungen jedoch wieder. Der entsprechende Indexwert liegt mit 17,3 Punkten leicht über dem Durchschnitt der letzten sechs Jahre. Der Stifterverband-Index setzt sich aus 17 Einzelindikatoren zusammen, die eine große Varianz aufweisen. Die Einzelwerte reichen von minus 4,8 Punkte für die Personalsituation bis 53,9 für die Wettbewerbsfähigkeit in der Lehre.

Mehr Zuversicht in Nordrhein-Westfalen

Finanzielle Rahmenbedingungen, wirtschaftliches Umfeld und Maßnahmen der Hochschulpolitik unterscheiden sich in den Bundesländern. Dementsprechend variieren auch die Einschätzungen der Hochschulleitungen zu aktueller Lage und erwarteten Entwicklungen der Hochschulen. Gemessen am Gesamtindex gehört Nordrhein-Westfalen zusammen mit Niedersachen und Hessen zur Spitzengruppe im Jahr 2017. Ein Grund: Während bundesweit der Erwartungsindex seit 2013 moderat gestiegen ist (+7 Punkte), ist die Zuversicht in Nordrhein-Westfalen in diesem Zeitraum deutlich gewachsen (+21,4 Punkte). Gegenüber dem Vorjahr wirkt sich dabei insbesondere der Anstieg des Erwartungsindexes bei der zukünftigen Autonomie auf die Gesamtstimmung aus. Dieser Anstieg dürfte die Erwartungen an die neue Landesregierung widerspiegeln.

Große Unterschiede nach Hochschultyp

Im Vergleich der einzelnen Hochschulgruppen, unterschieden nach Trägerschaft, Art und Größe, erreichen die großen staatlichen Fachhochschulen das erste Mal den höchsten Indexwert. Bereits im Jahr 2016 haben sie nach der Bekanntmachung des Förderprogramms Innovative Hochschule, in dem schließlich auch viele Fachhochschulen erfolgreich waren, einen Stimmungsaufschwung gezeigt. Der gemischte Erfolg der aktuell noch geförderten Universitäten in der neuen Exzellenzstrategie führt hingegen dazu, dass diese Gruppe in der Bewertung ihrer Lage und Erwartungen kaum noch vor den übrigen Universitäten liegt. Die weiteren Gruppen der staatlichen Hochschulen liegen jedoch unter dem hochschulweiten Wert. Private und kirchliche Hochschulen befinden sich hingegen traditionell im oberen Bereich des Stimmungsbarometers.

Divergenz bei staatlichen Fachhochschulen

Die Einschätzungen zur Lage und Entwicklung liegen bei großen und kleinen staatlichen Fachhochschulen aktuell weit auseinander. Während bei großen Einrichtungen die Stimmung unter allen Hochschulgruppen am besten ist, liegen die kleineren (weniger als 10.000 Studierende) am unteren Ende des Gruppenvergleichs. Dabei war die Stimmung an kleineren staatlichen Fachhochschulen 2013 noch besser als an ihren größeren Pendants. Seitdem wächst die Kluft zwischen den großen und den kleineren Fachhochschulen. Große Hochschulen beurteilen sowohl die aktuelle Lage als auch die zukünftige Situation zunehmend deutlich besser.

Bessere Rahmenbedingungen für große Fachhochschulen erwartet

Der Stimmungsaufschwung bei großen staatlichen Fachhochschulen hat viele Gründe. So erwarten sie beispielsweise für die nächsten fünf Jahre eine steigende Wettbewerbsfähigkeit in der Forschung und in der Lehre. Basis dafür ist die Hoffnung auf bessere Rahmenbedingungen. Im Vergleich zum Jahr 2013 haben sich die Erwartungen bezüglich des Personals und der Infrastruktur deutlich verbessert. Am stärksten gestiegen ist jedoch die Erwartung, dass die zukünftige Finanzsituation sich positiv entwickelt. Der entsprechende Index stieg kontinuierlich zwischen den Jahren 2013 und 2017 von –38,9 Punkt auf +16,7 Punkte.

Schlechtere Rahmenbedingungen für private Hochschulen

Noch vor zwei Jahren lagen private Hochschulen im Gruppenvergleich des Stifterverband-Indexes stabil an der Spitze. Seitdem schwindet jedoch der Vorsprung gegenüber den staatlichen Hochschulen. Das liegt vor allem an den schlechteren Rahmenbedingungen im Bereich Autonomie, Finanzierung, Ausstattung und Personal. Im Jahr 2017 waren die Leitungen privater Hochschulen bei der Bewertung der Finanzierungs- und Personalsituation besonders kritisch. Ausdrücklich positiv bleiben die Einschätzungen zur Wettbewerbsfähigkeit in der Lehre und zur Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen.

Schlechte Finanzierung und Personalsituation für staatliche Hochschulen

Den größten Handlungsbedarf sehen die Leitungen der staatlichen Hochschulen seit Jahren in den Bereichen Finanzierung und Personal. Entsprechende Teilindizes liegen sowohl für die aktuelle Lage als auch für die erwartete Situation in fünf Jahren im negativen Bereich. In den vergangenen Jahren lassen sich zudem keine Verbesserungen beobachten. Am meisten Sorgen macht die aktuelle Personalsituation, also die Personalausstattung und die Rekrutierungschancen bei Neuberufungen und Neueinstellungen. Der entsprechende Indexwert lag im Jahr 2017 bei minus 13,3 Punkten. Auch insgesamt ist die Personalsituation der am schlechtesten bewertete Indikator im Stifterverband-Index für die deutschen Hochschulen.

Fachhochschulen sehen weniger Freiheiten

In den vergangenen Jahren hat sich die Autonomie an Universitäten und Fachhochschulen in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Bis zum Jahr 2014 waren Fachhochschulen zufriedener mit ihrer Autonomie als Universitäten. In den nachfolgenden drei Jahren sank jedoch die Zufriedenheit der Fachhochschulen bezüglich ihrer faktischen  Entscheidungskompetenzen und Handlungsspielräume. Besonders stark ist der empfundene Rückgang an Selbstbestimmung bei kleinen und mittleren staatlichen Fachhochschulen und privaten Fachhochschulen. Dagegen entwickelten sich die Einschätzungen der Universitäten bis 2016 positiv. Im Jahr 2017 war jedoch bei beiden Gruppen ein Rückgang zu verzeichnen.

Universitäten sehen Wettbewerbsfähigkeit in der Forschung bedroht

Traditionell sehen Universitäten den Schwerpunkt ihres wissenschaftlichen Profils in der Forschung. Grundlagenorientierung und die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses bilden dafür die Basis. Die Entwicklung des Stifterverband-Indexes zeigt jedoch, dass sich die Universitätsleitungen in den vergangenen drei Jahren zunehmend um ihre Wettbewerbsfähigkeit in der Forschung sorgen. Im Gegensatz dazu schätzen Fachhochschulen ihre Position als stabil ein. Universitäten scheinen also vermehrt eine Konkurrenz um die besten Köpfe und Forschungsinfrastrukturen aus anderen Sektoren zu spüren. Zu den Wettbewerbern gehören forschungsaffine Unternehmen, insbesondere aus der Digitalbranche, sowie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die in den vergangenen Jahren spürbare Verbesserungen bei der Finanzierungssituation erreichen konnten.

Unterschiede in der Partnerwahl

Universitäten bewerten ihre Kooperationsbeziehungen stets etwas besser als Fachhochschulen. Doch nicht nur die Bewertung der Zusammenarbeit, auch die Wahl der bevorzugten Partner unterscheidet sich nach Hochschultyp. Die drei Top-Partner der Universitäten sind die kommunale Politik sowie ausländische und deutsche Hochschulen. Für die Fachhochschulen, ebenso wie für technische Hochschulen, sind es die Unternehmen aus der Region neben kommunaler Politik und deutschen Hochschulen. Private Hochschulen arbeiten häufig mit regionalen und überregionalen Unternehmen sowie mit internationalen Hochschulen zusammen. Spezialisierte staatliche Hochschulen zählen auch Schulen zu ihren drei besten Partnern. Nur die Universitäten der Exzellenzinitiative arbeiten sehr gut mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammen.

Schlechtere Ausstattung an technischen Hochschulen

Seit fünf Jahren schwindet die Zufriedenheit mit der infrastrukturellen Ausstattung und Personalsituation an technischen Hochschulen. Während die Bewertung der Infrastruktur, etwa von Laboren, Gebäuden und Bibliotheken, sich noch im leicht positiven Bereich hält, beurteilt eine Mehrheit die Personalsituation bereits negativ. An nicht technischen Hochschulen ist ein solcher stabiler Trend dagegen nicht festzustellen. Somit bewerten die Rektoren und Präsidenten technischer Hochschulen ihre Infrastruktur im Jahr 2017 erstmals schlechter als die Leitungen nicht technischer Hochschulen. Dabei spielt gerade bei den Ingenieurwissenschaften die technische Ausstattung eine zentrale Rolle in Forschung und Lehre.

Vertrauen in den Standort gut wie nie

Der Wissenschaftsstandort Deutschland wird von einer großen Mehrheit der Hochschulleitungen als gut eingeschätzt. Aktuell erreicht der entsprechende Wert den höchsten Stand seit dem Start des Hochschul-Barometers im Jahr 2011. Dabei gibt es keine großen Unterschiede in der Einschätzung durch die verschiedenen Hochschultypen. Eine Mehrheit ist zudem davon überzeugt, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit auch in den nächsten fünf Jahren weiter verbessern wird. Dafür muss jedoch die Wissenschafts- und Innovationspolitik ihre ehrgeizigen Ziele bei den Investitionen in Forschung und Bildung erfüllen und aufstrebende Wissenschaftsnationen, insbesondere in Asien, verstärkt in den Blick nehmen.