Hochschulpolitik

Das Hochschul-Barometer befasst sich mit der Frage, wie die Hochschulleitungen die jüngsten hochschulpolitischen Entwicklungen und ihre Auswirkungen einschätzen und bewerten.

Mit der Verabschiedung des Zukunftsvertrags "Studium und Lehre stärken" und der Förderentscheidung im Rahmen der Exzellenzstrategie standen 2019 wegweisende Entscheidungen in der Hochschulpolitik an. Mit der Exzellenzstrategie wollen Bund und Länder zur nachhaltigen Stärkung der Spitzenforschung und der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Universitäten beitragen. Mit dem Zukunftsvertrag "Studium und Lehre stärken" als Nachfolge des Hochschulpakts 2020 soll darüber hinaus die Qualität von Studium und Lehre an den Hochschulen verbessert werden.

 

Exzellenzstrategie: Wichtig, aber nicht frei von Nebenwirkungen

Mit der Exzellenzstrategie fördern Bund und Länder die Spitzenforschung an deutschen Universitäten. Im Rahmen der Exzellenzstrategie werden seit November 2019 zehn Universitäten und ein Universitätsverbund als Exzellenzuniversitäten gefördert, zudem werden bereits seit Januar 2019 34 Universitäten mit Exzellenzclustern gefördert. Die Meinungen der Hochschulleitungen dazu sind gemischt: Obwohl nur 16 von 148 teilnehmenden Hochschulen eine Förderung erhalten, sagt fast die Hälfte aller Hochschulleitungen, dass das Programm für das Hochschulsystem insgesamt wichtig ist. Von den antragsberechtigten Universitäten sind es sogar 82 Prozent. Und zwei von drei Universitätsleitungen denken, dass die Exzellenzstrategie geholfen hat, das eigene Hochschulprofil zu entwickeln.

Allerdings gibt es von den Hochschulleitungen auch Kritik an dem Konzept und seinen Folgen. 97 Prozent befürchten, dass damit dauerhafte Unterschiede bei Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit im Hochschulsystem entstehen. Eine große Mehrheit aller Universitätsleitungen gibt zudem an, dass kleinere und mittlere Universitäten sowie kleinere und mittlere Disziplinen bei der Bewerbung im Nachteil waren und dass Ungleichgewichte zwischen Forschung und Lehre entstehen. Jede vierte Universitätsleitung sah zudem das Auswahlverfahren nicht als wissenschaftsgeleitet und transparent an.

Lob und Tadel für den Zukunftsvertrag

Mit dem Zukunftsvertrag als Nachfolge des Hochschulpakts 2020 fördern Bund und Länder Maßnahmen, um die Qualität von Studium und Lehre an den Hochschulen zu verbessern. Dafür wird – zusätzlich zur Grundfinanzierung der Hochschulen – ein jährlicher Milliardenbetrag durch Bund und Länder zur Verfügung gestellt. In den im Juni 2020 veröffentlichten, individuellen Verpflichtungserklärungen legen die Bundesländer fest, welche strategischen Ansätze sie bei der Verwendung der Mittel verfolgen, um die Ziele des Zukunftsvertrags zu erreichen. Mit Ausnahme von privaten Hochschulen kommt die Förderung der gesamten Hochschullandschaft zugute.

Entsprechend schreiben 71 Prozent der befragten Hochschulleitungen dem Zukunftsvertrag eine hohe langfristige Wirkung auf das Hochschulsystem zu. Jede zweite Hochschulleitung hält ihn zudem für wichtig für die Profilbildung der eigenen Hochschule. Einen Schwerpunkt der Förderung wünschen sie sich für den Erhalt und die Steigerung der Lehrqualität und der Infrastruktur für Lehre.

Laut einer Sondererhebung des Hochschul-Barometers im Juli 2020 wird die Umsetzung des Zukunftsvertrags von den Hochschulleitungen aber auch kritisch gesehen. Jede zweite Hochschule bewertet die Verpflichtungserklärungen der Länder im Rahmen des Zukunftsvertrags nicht als positiv. Eine hohe Zustimmung erfahren die Erklärungen lediglich von staatlichen Universitäten, die nicht durch die Exzellenzstrategie gefördert werden.

Gesellschaftlicher Wandel trifft auch die Hochschulen

Ungleichheiten im Bildungssystem, demografischer Wandel, finanzielle Risiken in den öffentlichen Haushalten: Viele gesellschaftliche Entwicklungen stellen auch die Hochschulen vor neue Herausforderungen. Als besonders relevant schätzen die Hochschulleitungen die steigende Diversität der Studierenden zum Beispiel mit Blick auf Bildungshintergründe ein. Auch etwaige Verschlechterungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bewerten sie als zentrale Herausforderung.

Die unsichere Entwicklung der Studierendenzahlen bewerten die Hochschulleitungen sehr unterschiedlich. Eine Mehrheit befürchtet Einbußen durch sinkende Studierendenzahlen.
Hochschulen aus den Stadtstaaten sehen dagegen in steigenden Studierendenzahlen eine größere Herausforderung. Eine Verschlechterung der finanziellen Rahmenbedingungen befürchten Hochschulen im Westen eher als im Osten.

Herausforderungen verändern sich durch COVID-19-Pandemie

Die Umsetzung eines digitalen Semesters während der COVID-19-Pandemie erforderte einige Umstellungen an den Hochschulen: digitale Tools zur Gewährleistung der Lehre mussten eingekauft, mobiles Arbeiten ermöglicht und digitale Prüfungen konzipiert werden. Die Politik unterstützte Studierende und Hochschulen beispielsweise durch Anpassungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes oder auch beim BAföG-Bezug. Zudem stellten einige Bundesländer zusätzliche finanzielle Mittel bereit. Die Maßnahmen kommen an: Mehr als die Hälfte der Hochschulleitungen fühlt sich während der COVID-19-Pandemie gut durch die Politik unterstützt.

Aber auch über die Pandemie hinaus schätzen die Hochschulleitungen die Herausforderungen der Zukunft in Zeiten der Pandemie anders ein. So ist der Anteil derjenigen, die einen Rückgang internationaler Kooperationen befürchten, seit der Hauptbefragung im Winter 2019/2020 um mehr als 40 Prozentpunkte angestiegen. Darüber hinaus befürchten neun von zehn Hochschulen eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen.

Hochschulleitungen zufrieden mit Verlauf des digitalen Sommersemesters

Die COVID-19-Pandemie stellt die Hochschulen in Deutschland vor große Herausforderungen bei Forschung und Lehre. In einer Umfrage zu Beginn des Sommersemesters 2020 gaben dennoch fast alle teilnehmenden Hochschulen an, das digitale Semester als Chance zur Weiterentwicklung digitaler Lehr- und Lernformate wahrzunehmen.

In einer weiteren Befragung am Ende des Sommersemesters bestätigen immerhin gut 40 Prozent, dass die Umstellungen infolge der Pandemie (eher) positive Auswirkungen auf die Lehre hatten. Im Gegensatz dazu scheinen Forschungskooperationen und Transfer unter den Bedingungen der Pandemie erschwert zu sein. Dies zeigen auch die zwischen den Befragungen im Dezember 2019 und Juli 2020 gesunkenen Bewertungen der Kooperationen mit Hochschulen im Ausland, regionalen Unternehmen und Akteuren aus der Zivilgesellschaft.