Stimmungsbarometer

Wie bewerten Hochschulleitungen im Jahr 2020 die Lage und die Entwicklung ihrer Hochschulen? Welche Veränderungen lassen sich seit der ersten Befragung im Jahr 2011 ausmachen?

Antworten darauf gibt der Stifterverband-Index zur Lage der Hochschulen, der die Einschätzungen der Hochschulleitungen zu 17 zentralen Handlungsfeldern der Hochschulen zusammenfasst. Der Lageindex wird auf einer Skala von –100 (sehr negative Bewertung) bis +100 Punkten (sehr positive Bewertung) gemessen. Erfasst werden rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, Kooperationsbeziehungen sowie die Wettbewerbsfähigkeit in Forschung und Lehre.

Insgesamt ist die Stimmung unter den Hochschulleitungen eher positiv. Die aktuelle Situation bewertet die Mehrheit der Leitungen besser als in den vorherigen Befragungen. Die Ergebnisse unterscheiden sich jedoch teils stark nach einzelnen Indikatoren sowie nach Hochschultyp oder Trägerschaft.

 

Stimmungslage der Hochschulen: leicht steigend

Der Stifterverband-Index für die Lage der deutschen Hochschulen bestätigt mit 34,4 Punkten auf der Skala von –100 (negativ) bis +100 (positiv) Punkten den Anstieg aus dem Vorjahr. Trotz der Einschränkungen durch die Pandemie bewerten die Hochschulleitungen also die Lage der Hochschulen verhalten positiv. Verglichen mit den vorangehenden Jahren erreicht der Lageindex den höchsten Wert, seitdem das Hochschul-Barometer erhoben wird. Allerdings sind die Schwankungen insgesamt sehr moderat.

Doch nicht alle Hochschulleitungen schätzen die Lage ihrer Hochschulen gleich gut ein. Die durch die Exzellenzstrategie geförderten Universitäten liegen wie im Vorjahr deutlich vor den nicht geförderten Universitäten. Die stärkste Stimmungsverbesserung erreichen jedoch die privaten Hochschulen. Der Index für private Fachhochschulen steigt von 29,5 Punkten im Vorjahr auf 45,4 Punkte in diesem Jahr. Am Ende der Liste, bei allerdings kleinen Fallzahlen, stehen nun kirchliche Hochschulen mit 21,6 Punkten (34,4 Punkte in der vorherigen Erhebung). Die COVID-19-Pandemie scheint diese beiden Hochschultypen besonders zu beeinflussen. Ein möglicher Grund für das gute Abschneiden privater Hochschulen: Kleine Lerngruppen und digitale Formate waren bereits vor der Pandemie unter ihnen weit verbreitet, was eine Umstellung in der Pandemie leichter machte.

Zufriedenheit in den Hochschulbereichen

Der Lageindex des Stifterverbandes fasst die Bewertung von drei Themenbereichen zusammen: Rahmenbedingungen, Außenbeziehungen und Wettbewerbsfähigkeit. Dabei scheinen sich vor allem die Rahmenbedingungen der Hochschulen im Vergleich zu den Vorjahren verbessert zu haben. Treiber der positiven Entwicklung sind hier vor allem die privaten Einrichtungen: Sie bewerten die Rahmenbedingungen mit einem Indexwert von 51,1 deutlich positiver als der Durchschnitt aller Hochschulen (21,5 Punkte).

Auch der Bereich Wettbewerbsfähigkeit steigt auf den höchsten Wert der vergangenen fünf Jahre. Der einzige Bereich, dessen Bewertung im Vergleich zum Vorjahr sinkt, sind die Außenbeziehungen. Dieser Rückgang ist unter den Bedingungen der Pandemie nicht überraschend, denn die Kontaktbeschränkungen erschwerten den Austausch mit Partnern im Bildungs- und Wissenschaftsbereich massiv.

Hochschulleitungen schätzen Rahmenbedingungen besser ein

Alle vier Kategorien der Rahmenbedingungen (Autonomie, Ausstattung, Finanzen und Personal) werden von den Hochschulleitungen gegenüber dem Vorjahr als verbessert bewertet. Den stärksten Anstieg gibt es bei der Einschätzung der Autonomie. Seit 2018 ist der Anteil der Hochschulleitungen, die ihre Autonomie als eher gut oder gut einschätzen, um 25 Prozentpunkte gestiegen. Ein Grund für die bessere Bewertung der Autonomie könnten die Novellierungen der Hochschulgesetze in einigen Bundesländern sein, die den Hochschulen mehr Freiheiten versprechen. So wurde beispielsweise 2018 in Nordrhein-Westfalen eine Novelle verabschiedet, die den Hochschulen mehr Eigenverantwortung zukommen lassen soll, auch in Bayern und in Schleswig-Holstein ist Vergleichbares in Planung.

Die positive Entwicklung in der Einschätzung der Rahmenbedingungen insgesamt liegt vor allem an den privaten Hochschulen: In allen Bereichen ist unter ihnen der Anteil der Hochschulleitungen, die ihre Rahmenbedingungen als (eher) gut bezeichnen, gestiegen, bei der Autonomie sogar deutlich. Der positive Trend ist vielleicht auch Ausdruck eines Wachstums, das sogar während der Pandemie anhielt. Im Vergleich zum Wintersemester 2019/2020 stiegen die Studierendenzahlen an den privaten Hochschulen, die an der Befragung teilgenommen haben, im Schnitt um fast 7 Prozent. Insbesondere Hochschulen, die ein Fernstudium anbieten, konnten zulegen. Doch lange nicht alle Hochschulleitungen sind zufrieden: Unter den kirchlichen Hochschulen ist der Anteil der Leitungen, die die Finanzierungssituation und Ausstattung ihrer Hochschule als (eher) gut beschreiben, um etwa die Hälfte gesunken.

Hochschulen trotz Pandemie gut vernetzt

Die Hochschulen in Deutschland erleben weiterhin ein hohes Maß an gesellschaftlicher Wertschätzung. Dies spiegelt sich auch in gestärkten Beziehungen zu den verschiedenen Partnern der Hochschulen in der Gesellschaft wider. So bewerteten die Hochschulleitungen die Beziehungen zu vielen Partnern in einer Sonderumfrage des Hochschul-Barometers während der COVID-19-Pandemie im Juli 2020 negativer als noch in der regulären Befragung im Winter 2019/2020. In der aktuellen Befragung hingegen sind die meisten Partnerschaften wieder aus dem Tief der Pandemie zurück. Lediglich bei der Zusammenarbeit mit Schulen und mit Hochschulen im Ausland erreicht die Bewertung der Rektorinnen und Rektoren noch nicht annähernd das Niveau vor der Pandemie. Im Falle der Schulen tragen dazu Teleunterricht und die pandemiebedingte Absage gemeinsamer Aktivitäten bei. Der Austausch mit ausländischen Hochschulpartnern litt an Reisebeschränkungen insbesondere beim grenzüberschreitenden Verkehr.

Hochschulen sehen sich gut gerüstet

Drei Indikatoren bilden den Index für die Wettbewerbsfähigkeit: die eigene Lehre, die eigene Forschung und der Hochschulstandort Deutschland. Die Hochschulen schätzen alle drei Bereiche besser ein als noch im Vorjahr. So steigt der Anteil der Hochschulleitungen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandortes als (eher) gut einschätzen, um acht Prozentpunkte auf 77 Prozent. Ähnlich nimmt die Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit in der Forschung zu. Dazu trägt vor allem ein Anstieg um mehr als 11 Prozentpunkte unter den staatlichen Universitäten bei.

Die Erfahrungen in der Lehre während der COVID-19-Pandemie haben gezeigt, dass die Hochschulen durchaus in der Lage sind, ihre Lehrformate auch digital umzusetzen. Dies zeigt sich auch in einer weiterhin hohen Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit in der Lehre. Hier sind besonders die privaten Hochschulen selbstbewusster: Im Vergleich zum Vorjahr steigt der Anteil derjenigen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit in der Lehre als (eher) gut bewerten, um fast 14 Prozentpunkte. Viele private Hochschulen, die auch schon vor der Pandemie verstärkt auf digitale Formate gesetzt hatten, profitieren nun in der Pandemie von diesen Erfahrungen.